Landesmedienanstalt Saarland, Postfach 30 08 65, 66066 Saarbrücken

Mit Postzustellungsurkunde

Jedermann.net GmbH
Vertreten durch den Geschäftsführer
Herrn Jan Jedermann
Innovationsstraße 14
66134 Saarbrücken-Burbach

    

Dienstgebäude Heinz-Becker-Straße 2, 66121 Saarbrücken

E-Mail: grimmelwiedisch@lm-saar.de
Durchwahl: (0681) 666-234
Telefax: (681) 666-235
Zimmer: 25
Auskunft erteilt: Frau Grimmelwiedisch
Aktenzeichen (Bitte bei Antwort angeben):
08/15
Saarbrücken 06. Juli 2004



Aufsicht nach dem Mediendienstestaatsvertrag (MdStV);
Ordnungsrechtliches Verfahren bei Verstößen gegen die Bestimmungen des Mediendienstestaatsvertrages





Sperrungsverfügung

Sehr geehrter Herr Jedermann,

hiermit gebe ich Ihnen auf, den Zugang zur Nutzung der Internet-Seite http://www.nsdap.org/ im Rahmen des von Ihnen vermittelten Nutzungsangebotes zu sperren.

Ich ordne den sofortigen Vollzug dieser Sperrungsverfügung an.

Von dieser Sperrverpflichtung sind Sie insoweit befreit, als die Nutzung der v. g. Angebote zu Zwecken der Wissenschaft, Forschung oder Lehre erforderlich ist. Die Nutzungsmöglichkeiten sind insoweit durch geeignete technische Maßnahmen zeitlich und räumlich zu begrenzen.

Begründung:

Gemäß Artikel 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Zustimmung zum Staatsvertrag über Mediendienste vom 2. Juli 1997 (Amtsblatt des Saarlandes 1998, S. 641) (GVBI. I 1997, S. 359) ist die Landesmedienanstalt im Saarland als die für den gesetzlichen Jugendschutz zuständige Verwaltungsbehörde im Sinne des § 22 Abs. 1 MdStV für Einhaltung der Bestimmungen des MdStV zuständig.

Nach § 22 Abs. 3 MdStV trifft die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde bei einem Verstoß gegen die Bestimmungen des Mediendienstestaatsvertrages die zur Beseitigung des Verstoßes erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter. Sie kann insbesondere Angebote untersagen und deren Sperrung anordnen.

Die u. a. Internet-Seiten enthalten unzulässige Inhalte nach § 12 Abs. 1 des MdStV und stellen somit einen Verstoß gegen den Mediendienstestaatsvertrag dar:

  1. http://www.nsdap.org/

    Der amerikanische Service-Provider nsdap.org hostet ausschließlich rechtsextremistische Internetseiten in überwiegend englischer Sprache. Es wird in verschiedenen Ausbaustufen ein kommerzielles Nutzungsangebot zur Verfügung gestellt. Zu handelsüblichen Konditionen werden Speicherplatz, Datentransfer, e-mail-Adressen mit eigenen Domainnamen etc. angeboten.

    Aus der Hauptseite geht hervor, dass das Angebot rechtsextremistischer Gesinnung ist. In einem deutschsprachigen Angebot wird u. a. der Begriff "Befreite Zonen" erklärt und welchen Umgang man mit Andersdenkenden plant "...wir bestrafen Abweichler und Feinde...."

    Von der Hauptseite führen Links zu 15 verschiedenen Sparten, Themen und Diensten. So gibt es unter anderem Kinder- und Frauenseiten, Seiten, die sich Grundsatzfragen der rassistischen Ideologie widmen, ein Textearchiv, eine Presseseite, eine Veranstaltungsseite usw. Insgesamt ist das Angebot zur öffentlichen Meinungsbildung und -beeinflussung an die Allgemeinheit gerichtet. Der Aufbau des gesamten Angebotes ist - ähnlich einer Zeitung - nach Sparten redaktionell gestaltet.

    Aufgrund der zahlreichen Links hat das Gesamtangebot zugleich die Funktion einer Verteilerdrehscheibe auch für die deutsche rechtsextremistische Szene.

    Dieses Angebot ist unzulässig, weil es

    1. gegen Bestimmungen des Strafgesetzbuches verstößt (§ 12 Abs. 1 Ziff. 1 MdStV
    2. den Krieg verherrlicht (§ 12 Abs. 1 Ziff. 2 MdStV)
    3. in sonstiger Weise die Menschenwürde verletzt (§ 12 Abs. 1 Ziff. 5 MdStV)

Nach § 22 Abs. 3 MdStV können Maßnahmen zur Sperrung von Angeboten auch gegen den Anbieter von fremden Inhalten nach § 7 MdStV gerichtet werden, wenn sich Maßnahmen gegenüber den Verantwortlichen nach §§ 6 und 9 MdStV als nicht durchführbar oder nicht erfolgversprechend erweisen. Voraussetzung ist, dass der Anbieter unter Wahrung des Fernmeldegeheimnisses gemäß § 85 des Telekommunikationsgesetzes von den Inhalten Kenntnis erlangt und eine Sperrung technisch möglich und zumutbar ist.

Bestandteil der o. g. unzulässigen Angebote sind etliche Links zu deutschen ContentProvidern. Alle Versuche diese durch technische Abfragen (Whois-Abfrage) zu ermitteln, sind ohne Erfolg geblieben, da die Content-Provider anonym agieren bzw. offensichtlich Scherz- oder Deckadressen angegeben haben.

Eine direkte Inanspruchnahme des Serviceproviders von nsdap.org erweist sich mangels Anerkennung und Vollstreckbarkeit eines europäischen Urteils oder Titels in den Vereinigten Staaten von Amerika als nicht durchführbar. (vgl. Urteil U.S. District Court for the Northern District of California: Yahoo v. LICRA, 28 USC § 2201, Entscheidung vom 07.11.2001-(-00-21275JF)

Auf eine tatsächliche Aufforderung der Bezirksregierung Düsseldorf, die beiden unzulässigen Angebote zu sperren, haben beide Provider nicht reagiert. Auch die gemeinsame Stelle der Jugendministerien "Jugendschutz-net" in Mainz ist mit den gleichen Bemühungen erfolglos geblieben. Somit sind und waren Maßnahmen gegen die nach §§ 6 und 9 MdStV Verantwortlichen weder durchführbar noch erfolgversprechend. Mit meinem Anhörungsschreiben vom 05.10.2003 habe ich Sie von den o. g. unzulässigen Angeboten in Kenntnis gesetzt.

Die Sperrungen der o g. unzulässigen Angebote sind auch technisch möglich.

Als Ergebnis der von mir durchgeführten technischen Recherchen und des Anhörungsverfahrens ergeben sich für mich nach dem derzeitigen Stand der Technik drei Sperrmöglichkeiten:

  1. Ausschluss von Domains im Domain-Server (DNS)

    Sofern der Access-Provider einen DNS betreibt, kann dieser so konfiguriert werden, dass Anfragen nicht an den richtigen Server sondern an eine ungültige oder eine andere vordefinierte Seite weitergeleitet werden.

  2. Verwendung eines Proxy-Servers

    Die URL als genaues Zuordnungskriterium der individuellen Web-Seite auf dem jeweiligen Server kann durch den Einsatz eines Proxys gesperrt werden. Anfragen auf die unzulässigen Angebote werden gefiltert und der Zugriff verweigert oder es wird auf eine vordefinierte Seite im Browser umgeleitet und hingewiesen.

  3. Ausschluss von IPs durch Sperrung im Router

    Der Router kann so konfiguriert werden, dass der komplette Datenverkehr zu einer bestimmten IP-Adresse nicht weitergeleitet wird.

Darüber hinaus sind derzeit weitere technische Möglichkeiten in der Erprobung.

Die o. g. drei Sperrmöglichkeiten bewirken - ohne technische Veränderungen am Rechner eines Nutzers - dass bei Eingabe der o. g. Domain-Namen, die Gegenstand dieser Sperrungsanordnung sind, die unzulässigen Angebote nicht mehr abgerufen werden können. Im Übrigen haben auch die schon nach Kenntnisgabe der unzulässigen Angebote von einigen Zugangsvermittlern vorgenommenen Sperrungen - zumeist nach der DNS-Methode - erwiesen, dass die Sperrungen technisch möglich sind.

Die Sperrungen sind auch zumutbar.

Hierbei ist zwischen der Belastung eines Anbieters durch die Sperrung und dem durch die Verbreitung des Inhalts bedrohten oder verletzten Rechtsguts abzuwägen (vgl. Roßnagel, Recht der Multimediadienste, 4. Teil, §18 Rdnr. 41).

Wie zuvor ausgeführt halte ich nach dem derzeitigen Stand der Technik auch eine Sperrung durch Ausschluss von Domains in Domain-Name-Server (DNS) für ausreichend und zulässig. Diese Sperrvariante lässt sich durch einfache Konfiguration des DNS herbeiführen und erfordert einen einmaligen geringen Personalaufwand. Ein Sachaufwand entsteht nicht.

Die Sperrungen sind auch verhältnismäßig.

Dies setzt zunächst deren Geeignetheit voraus.

Geeignet ist eine Maßnahme immer dann, wenn sie den nach dem Gesetz intendierten Erfolg erreicht. Da davon auszugehen ist, dass auch der Gesetzgeber die technischen Möglichkeiten und Wirkungen von Sperrungen bei den Access-Providern kannte, kann als gesetzgeberisches Ziel nicht die Totalblockade des Empfangs der gesperrten unzulässigen Angebote gegolten haben.

Die Sperrung nach der DNS-Methode kann z. B. dadurch umgangen werden, dass der Nutzer einen anderen DNS-Server in seinen Rechner einträgt. Voraussetzung ist, dass er mit Hilfe einer technischen Anleitung einen anderen DNS-Server mit einen bestimmten Zahlencode in seinen Rechner einträgt. Für den technisch versierten Nutzer mag diese Veränderung leicht zu bewerkstelligen sein, für denjenigen, der weder eine technische Anleitung noch den Zahlencode eines anderen DNS-Servers kennt, erscheint eine entsprechende Manipulation schon schwieriger.

Gesetzgeberischer Zweck und somit Verwaltungszweck einer Sperrung kann somit nur eine Förderung der Beseitigung der durch das Angebot drohenden Rechtsgutverletzung sein.

Im Rahmen der Geeignetheit einer Maßnahme ist dies legitimer Gesetzgebungs- und Vollzugszweck. Denn für die Geeignetheit ist es nicht erforderlich, dass ... unbedingt der volle Erfolg zum Tragen kommen muss (vgl. Jarass/Pieroth, "Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 5. Auflage, 2000 Art. 20 Rn 83). Ebensowenig muß die Gefahr vollständig beseitigt werden. (Wagner "PolG NRW, § 2 Rn 4). Vielmehr reicht es aus, dass mit Hilfe der Maßnahme der gewünschte Erfolg näherrückt und gefördert wird (vgl. Jarass / Pieroth, a.a. 0.)

Diesen vom Gesetzgeber hier zugrunde gelegten Anforderungen genügt auch die von mir angeordnete Sperrung, da dadurch eine Erschwernis oder Behinderung im Zugang zu den unzulässigen Angeboten für den durchschnittlichen Nutzer entsteht.

Bei den mittlerweile 25 Millionen Internet-Nutzern in der Bundesrepublik Deutschland handelt es sich keinesfalls mehr um ein technisch versiertes Minderheitenpublikum, das die meisten technischen Funktionsweisen des Rechners kennt. Einfachste Bedienungskenntnisse genügen und haben gerade zur weiten Verbreitung von Computern und insbesondere der Internetnutzung geführt.

Insofern bewirkt auch eine DNS-Sperrung für den durchschnittlichen Nutzer eine nicht unwesentliche Zugangserschwernis.

Keine Umgehungsmöglichkeiten im eigentlichen Sinne, die die Geeignetheit der Sperrungen in Frage stellen könnten, stellen auch sog. Spiegelungen dar. So soll in der Vergangenheit die Wirksamkeit von Sperrungen dadurch gemindert worden sein, dass unzulässige Seiten "gespiegelt" wurden. Bei der Spiegelung handelt es sich um die Vervielfältigung einer (unzulässigen) Seite unter einem anderen Domain-Name bei gleichzeitiger Einstellung in das Internet. Rechtlich erfüllt dieser Tatbetand die Einstellung eines unzulässigen Inhalts in das Internet durch einen Content- und Service-Provider. Er löst eine Sperrungsanforderung durch die zuständige Aufsichtsbehörde aus. Da es um vorsätzliches ordnunswidriges Handeln geht, wird auch der Bußgeldtatbestand des § 24 MdStV verwirkt.

Bewusst begangene Rechtsverstöße, die staatliche Ordnungsmaßnahmen unterlaufen sollen, können die Legitimität und Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns jedoch nicht in Frage stellen.

Auch die Tatsache, dass Suchmaschinen die unzulässigen Inhalte weiter anbieten, spricht nicht gegen die Geeignetheit der hier angeordneten Sperrungen. Soweit Suchmaschinen systematisch fremde Inhalte erfasst, geordnet und z. T. kommentiert haben, dürften sie als Service-Provider gemäß § 9 MdStV anzusehen sein. Die dann bereitgehaltenen unzulässigen Angebote dürften einer selbständigen Sperranordnung nach § 22 Abs. 3 MdStV unterliegen. Entsprechende Sperranforderungen sind jedoch nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Die angeordneten Sperrungen sind auch erforderlich, um die Erreichbarkeit der unzulässigen Angebote für den durchschnittlichen Nutzer zu erschweren. Mildere Mittel als die u. a. für zulässig gehaltene DNS-Sperrung (s. o.) sind nicht ersichtlich.

Die Sperrungen sind auch angemessen, d. h. verhältnismäßig im engeren Sinne. Sie sind insbesondere zumutbar (s. o.) und verletzen nicht die Rechte Dritter.

Die Informationsfreiheit der Nutzer wird nach Art. 5 Abs. 2 GG zulässig durch den Mediendienstestaatsvertrag eingeschränkt. Es gibt keinen Anspruch der Nutzer auf Empfang unzulässiger Angebote. Dies gilt erst recht dann, wenn sich die Unzulässigkeit aus einem Verstoß gegen Straftatbestände ergibt.

Die von mir angeordneten Sperrungen verletzen auch nicht das Wissenschafts- und Forschungsprivileg des Art. 5 Abs. 3 GG.

Durch den entsprechenden Zusatz im Tenor meiner Entscheidung habe ich für die Hochschulen und Fachhochschulen klargestellt, dass die Sperrverpflichtung nicht besteht, soweit die Nutzung der o.g. Angebote zu Zwecken der Wissenschaft, Forschung und Lehre erforderlich ist.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Widerspruch eingelegt werden.

Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift bei der Landesmedienanstalt Saarland, Heinz-Becker-Straße 2, 66121 Saarbrücken, einzulegen.

Wird der Widerspruch schriftlich erhoben, so gilt die Frist nur als gewahrt, wenn der Widerspruch vor Ablauf der Frist bei mir eingegangen ist.

Sollte die Frist durch das Verschulden eines von Ihnen Bevollmächtigten versäumt werden, so würde dessen Verschulden Ihnen zugerechnet werden.

Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag

(Scherer)